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Bürger schaffen Wissen - Wie Citizen Science in Deutschland ausgebaut werden soll

Veröffentlicht am:07.07.2014
Veröffentlicht von:Janine Tychsen
Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren
Kategorie:Buntes aus der Wissenschaft
Übersicht:

Die Helmholtz- und die Leibniz-Gemeinschaft wollen zusammen mit ihren universitären und außeruniversitären Partnern das Engagement von Ehrenamtlichen in der Wissenschaft unterstützen und weiter ausbauen. Diese Bürgerwissenschaft – Citizen Science genannt – umfasst bereits jetzt eine Reihe verschiedenster Aktivitäten von Bürgerinnen und Bürgern, die die Forschung unterstützen und großes Potenzial für die Zukunft besitzen.

Beschreibung:

Dies weiter zu entwickeln, ist das Ziel des neuen Forschungsprojektes GEWISS (BürGEr schaffen WISSen – Wissen schafft Bürger), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und vom Museum für Naturkunde Berlin – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN) sowie vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) koordiniert wird. Das Projekt startet am 8. Juli 2014 mit einem Workshop in Berlin, zu dem über 100 Expertinnen und Experten erwartet werden.

Citizen Science bietet große Chancen

Beteiligung ist ein wesentliches Element in westlichen Demokratien wie Deutschland oder Großbritannien. In Vereinen und Fachgesellschaften engagieren sich seit vielen Jahren Millionen Deutsche ehrenamtlich. Dieses Engagement hilft auch der Wissenschaft. Im angelsächsischen Raum hat sich für diese Art von Bürgerwissenschaft inzwischen der Fachbegriff Citizen Science etabliert. Durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien wie Internet und Smartphone wurde es in den letzten Jahren deutlich leichter, sich untereinander zu vernetzen und Daten auszutauschen. So ist es bereits jetzt möglich, Umweltdaten wie Lärm oder die Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten zu erfassen. Beteiligen sich daran möglichst viele Interessierte, dann besteht die Chance, räumlich und zeitlich sehr komplexe Datensätze zu erheben, die durch hauptberuflich Forschende in diesem Umfang nicht geschaffen werden könnten und so die traditionellen Wissenschaften gut ergänzen. Neben dem großen Potenzial bei der Datenerfassung bietet Citizen Science aber noch weitere Chancen: Der Kontakt kann das Einbinden von lokalem Wissen und Erfahrungen erleichtern, die Akzeptanz der Forschung in der breiten Bevölkerung verbessern oder auch den Wissenstransfer in die Gesellschaft beschleunigen. Von dieser Partnerschaft auf Augenhöhe profitieren also beide Partner – sowohl Wissenschaft als auch Bürger.

Lichtverschmutzung und Tagfaltermonitoring als Vorzeigebeispiele

Über die Auswirkungen von künstlichem Licht auf Mensch und Natur ist bisher relativ wenig bekannt. Um mehr über die sogenannte Lichtverschmutzung herauszufinden, haben Wissenschaftler des interdisziplinären Projektes „Verlust der Nacht“ eine Smartphone-App entwickelt, die dazu dient, weltweit die Helligkeit des Himmels zu beschreiben, den sogenannten Skyglow. Sie baut auf dem Citizen Science-Projekt „GLOBE at Night“ auf, in dem Menschen auf der ganzen Welt die Himmelshelligkeit bestimmen und als Kriterium dafür die Sichtbarkeit der Sterne heranziehen. Aus der Bestimmung des lichtschwächsten Sterns können Wissenschaftler im Anschluss ableiten, wie hell der Himmel zu einem bestimmten Zeitpunkt an diesem Ort ist. So kann jeder ganz ohne teure Messgeräte zum Erfolg des Projektes beitragen. Die Forschung erhofft sich von diesen Daten u.a. Anregungen für modernere Beleuchtungskonzepte.

Auch in den Biowissenschaften spielen ehrenamtliche Naturbeobachter eine große Rolle. Wie sich beispielsweise Schmetterlingspopulationen langfristig entwickeln und ob bestimmte Arten häufiger oder seltener werden, lässt sich mit einem normalen Forschungsprojekt, dass in der Regel nur drei Jahre dauert und nur wenige Orte beobachten kann, nicht herausfinden. Seit fast 10 Jahren tragen jedoch inzwischen bundesweit über 500 Freiwillige im Tagfalter-Monitoring Deutschland dazu bei, die Bestände verschiedenster Schmetterlingsarten zu erfassen. Die Zählung der Tagfalter erfolgt dabei entlang bestimmter Strecken, auch Transekte genannt, die in der Regel einmal pro Woche abgegangen werden. Die Beobachtungen werden anschließend online gemeldet. Auf diese Weise hilft der Sonntagsspaziergang nicht nur dem eigenen Wohlbefinden, sondern auch der Wissenschaft.

GEWISS wird Bausteine zur Weiterentwicklung liefern

Welches Potenzial in solchen Mitmach-Projekten steckt, haben inzwischen sowohl die Wissenschaft als auch die Politik entdeckt. So hat bei der Gründung der European Citizen Science Association (ECSA) 2013 der EU-Forschungskommissar Janez Potočnik das ehrgeizige Ziel ausgegeben, innerhalb der nächsten fünf Jahre über fünf Millionen Bürger zu motivieren, sich an organisierter Forschung zur Gesundheit und Umwelt zu beteiligen.

Auch in Deutschland wurden die Aktivitäten in den letzten Monaten forciert. Das neue Projekt GEWISS (BürGEr schaffen WISSen – Wissen schafft Bürger) bündelt nun verschiedene Initiativen, um Citizen Science weiter entwickeln zu können. Dazu hat sich ein Konsortium von Einrichtungen der Helmholtz- und der Leibniz-Gemeinschaft mit ihren universitären Partnern gebildet.

Beteiligte Partnereinrichtungen sind das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) sowie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und das Berlin-Brandenburgische Institut für Biodiversitätsforschung (BBIB) mit dem Museum für Naturkunde Berlin (MfN), dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und der Freien Universität Berlin, dem Leibniz-Forschungsverbund Biodiversität (LVB) sowie Wissenschaft im Dialog (WiD). GEWISS startet am 8. Juli 2014 mit einem Auftaktworkshop, der von MinDir Matthias Graf von Kielmansegg (BMBF), Prof. Dr. Matthias Kleiner (Präsident der Leibniz-Gemeinschaft) und Dr. Heike Wolke (Vize-Präsidentin der Helmholtz-Gemeinschaft) eröffnet wird. Über 100 Experten werden in Berlin die Kernpunkte für eine „Citizen Science Strategie 2020“ für Deutschland diskutieren. Dabei geht es etwa um Fragen der Datenqualität, um die Auswertung, Veröffentlichung und Umsetzung von Ergebnissen aus Citizen-Science-Projekten, um das Potenzial von Citizen Science für mehr Verständnis, Akzeptanz, Mitsprachemöglichkeiten und Umsetzungspotenziale für Forschung in der Gesellschaft. Es geht auch darum, dass sich Bürger mitverantwortlich fühlen für wissenschaftliche Prozesse. Dafür werden in den kommenden zwei Jahren verschiedene Bausteine entwickelt, beispielsweise eine Citizen-Science-Plattform, ein Leitfaden sowie Trainingsworkshops für Citizen-Sciene-Projekte. Im Rahmen von Dialogforen werden Erfahrungen ausgetauscht, bestehende Aktivitäten und Projekte sowie Bedürfnisse von Bürgern und Forschenden erfasst. Das erste „Dialogforum Citizen Science“ wird bereits am 17./18. September 2014 am UFZ in Leipzig stattfinden.

Tilo Arnhold

Fotos und Links zur Pressemitteilung finden Sie unter:

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Aletta Bonn

Leiterin der Forschungsgruppe „Ökosystemare Dienstleistungen“ am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) & Deutschem Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)

Telefon: +49 (0) 341-9733153

und

Dr. Katrin Vohland

Leiterin des Forschungsbereichs Wissenschaftskommunikation und Wissensforschung am Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung

Telefon: +49 (0)30-2093-8945

oder über

Tilo Arnhold, Susanne Hufe (UFZ-Pressestelle)

Telefon: +49 (0)341-235-1635, -1630

und

Gesine Steiner (MfN-Pressearbeit)

Telefon: +49 (0)30-2093-8917

Weiterführende Links:

Bürger schaffen Wissen – Die Citizen Science Plattform

Forsch mit! Immer mehr Menschen beteiligen sich aktiv an Wissenschaft (FVB-Verbundjournal, April 2014):

Wissenschaft zum Mitmachen (UFZ-Newsletter, Juni 2012):

Citizen Science-Projekt „Verlust der Nacht“

Citizen Science-Projekt „Tagfaltermonitoring“

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg mehr als 1.100 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie sowie Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 36.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

Das Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung ist ein Forschungsmuseum der Leibniz-Gemeinschaft. Es gehört zu den weltweit bedeutendsten Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der biologischen und erdwissenschaftlichen Evolution und Biodiversität. Die Sammlungen des Museums sind mit seiner Forschung unmittelbar verbunden. Sie umfassen mehr als 30 Millionen Objekte aus Zoologie, Paläontologie, Geologie und Mineralogie und sind von höchster wissenschaftlicher und wissenschaftshistorischer Bedeutung. Die exzellente und integrierte Forschung orientiert sich an gesellschaftlich relevanten Themen. Im Museum arbeiten aktuell 230 Personen, über Ausstellungen und weitere Formate der Wissenschaftskommunikation werden jährlich über eine halbe Millionen Menschen direkt erreicht.

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi , mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.500 Personen, darunter 8.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro.

www.leibniz-gemeinschaft.de

Fotos:

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Für das Tagfaltermonitoring zählen bundesweit über 500 Freiwillige. Die Daten aus diesem Citizen-Science-Projekt werden am UFZ ausgewertet. (v.l.n.r.: Gitte Hornemann, Elisabeth Kühn, Birgit Metzler und Martin Wiemers)

Foto: André Künzelmann/UFZ

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Im Rahmen des ersten „Flashmobs für die Wissenschaft“ in Berlin wurde die App von zahlreichen Mitstreitern am exakt gleichen Ort zur exakt gleichen Zeit genutzt. Durch den Vergleich der Daten können Wissenschaftler herausfinden, wie gut die Ergebnisse der App sind.

Foto: Christopher Kyba