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Wärmekapazität von kondensiertem Licht vermessen

Veröffentlicht am:19.04.2016
Veröffentlicht von:Johannes Seiler
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Kategorie:Wissenschaftliche Publikationen
Forschungsergebnisse
Übersicht:

Flüssiges Wasser ist ein sehr guter Wärmespeicher – das weiß jeder, der eine Wärmflasche sein Eigen nennt. Sobald Wasser jedoch siedet oder gefriert, lässt seine Speicherfähigkeit schlagartig nach. Ein ganz ähnliches Verhalten haben Physiker der Universität Bonn nun bei einem Gas aus Lichtteilchen beobachtet. Ihre Erkenntnisse lassen sich beispielsweise nutzen, um ultragenaue Thermometer herzustellen. Die Arbeit erscheint im renommierten Fachjournal „Nature Communications“.

Beschreibung:

Wasserdampf wird unter 100 Grad Celsius flüssig – er kondensiert. Physiker sprechen von einem Phasenübergang. Dabei ändern sich sprunghaft bestimmte thermodynamische Eigenschaften des Wassers. Beispielsweise kann es auf einen Schlag doppelt so viel Wärmeenergie speichern wie noch im gasförmigen Zustand.

Licht besteht aus winzigen unteilbaren Portionen, den Photonen. Auch diese können unter geeigneten Bedingungen kondensieren, wenn man sie weit genug abkühlt. Viele tausend dieser Lichtpakete verschmelzen dann plötzlich zu einer Art Super-Photon mit ungewöhnlichen Eigenschaften – einem so genannten Bose-Einstein-Kondensat.

Auch Photonengas ändert Wärmespeichereigenschaften sprunghaft

Die Physiker der Universität Bonn konnten nun zeigen, dass sich das Photonengas bei diesem Phasenübergang gemäß den theoretischen Vorhersagen von Bose und Einstein verhält: Ähnlich wie Wasser ändert es sprunghaft seine Wärmekapazität, also die Fähigkeit, thermische Energie zu speichern. „Dieses Verhalten kannte man bereits von kondensierenden Atomen”, erklärt Prof. Dr. Martin Weitz vom Institut für Angewandte Physik. „Es ist aber das erste Mal, dass dieses Phänomen für ein Kondensat aus Licht nachgewiesen wurde.”

Auch Atome bilden ein Bose-Einstein-Kondensat, wenn man sie sehr stark abkühlt und gleichzeitig genügend von ihnen auf kleinem Raum konzentriert. Sie werden dann plötzlich ununterscheidbar: Sie verhalten sich wie ein einziges Riesen-Atom. Schon vor 20 Jahren hatten Physiker nachweisen können, dass sich bei diesem Phasenübergang die Wärmekapazität der Atome plötzlich ändert. Wie stark diese Änderung ist, lässt sich bei Atomen aber nur ungenau messen. Das ist bei unserem Kondensat wesentlich besser möglich”, betont Dr. Jan Klärs, der inzwischen aus Bonn an die ETH Zürich gewechselt ist.

Die Wärmekapazität eines Stoffes berechnet sich aus der Energie, die nötig ist, um ihn um ein Grad zu erwärmen. Üblicherweise misst man dazu die Temperatur der Substanz vor und nach Zuführung einer definierten Wärmemenge. Mit einem Thermometer lässt sich die Temperatur eines Gases aus Licht jedoch nicht messen. Allerdings ist das auch gar nicht nötig. „Um die Temperatur des Gases zu bestimmen, muss man lediglich die unterschiedlichen Wellenlängen der Lichtteilchen kennen – die Verteilung ihrer Farben”, sagt Klärs. Und diese lässt sich mit den heute verfügbaren Methoden extrem genau ermitteln.

„Unsere Ergebnisse für die Änderung der Wärmekapazität beim Übergang vom Photonengas zum Bose-Einstein-Kondensat decken sich exakt mit den theoretischen Vorhersagen”, erklärt Tobias Damm vom Institut für Angewandte Physik. „Die Genauigkeit dieser Methode ist so hoch, dass sie sich sehr gut für die Präzisionsmessung bestimmter thermodynamischer Naturkonstanten eignet.”

Der Wärmeinhalt des Photonengases ändert sich nicht nur bei der Kondensation zum Super-Photon, sondern auch kontinuierlich mit der Umgebungstemperatur. Die Bonner Physiker hoffen daher, dass sich ihre Erkenntnisse auch für den Bau hochpräziser Thermometer nutzen lassen.

Publikation: Tobias Damm, Julian Schmitt, Qi Liang, David Dung, Frank Vewinger, Martin Weitz & Jan Klärs: Calorimetry of a Bose-Einstein-condensed photon gas; Nature Communications, DOI: 10.1038/NCOMMS11340

Kontakt:

Prof. Dr. Martin Weitz

Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn

Tel. 0228/73-4837 oder -4836

E-Mail: Martin.Weitz@uni-bonn.de

Tobias Damm

Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn

Tel. 0228/73-3453

E-Mail: damm@iap.uni-bonn.de

Dr. Julian Schmitt

Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn

Tel. 0228/73-3453

E-Mail: schmitt@iap.uni-bonn.de