Veröffentlicht am: | 29.01.2015 |
Veröffentlicht von: | Dipl.-Ing. (FH) Melanie Dargel-Feils Hochschule Koblenz - University of Applied Sciences |
Kategorie: | Studium und Lehre Buntes aus der Wissenschaft |
Heute wurden in der Hochschule Koblenz die Entwürfe von vier Architektur-
Studenten/innen für ein Cem-Haus in Koblenz vorgestellt.
Vier ArchitekturstudentInnen der Hochschule Koblenz haben als Masterthesis unter
der Betreuung von Prof. Henner Herrmanns ein Cem-Haus entworfen, das der
Alevitischen Gemeinde als Muster-Cem-Haus dienen soll. Dies geschah auf
Anregung von Cemal Büyük, Vorstandsmitglied der Alevitischen Gemeinde
Deutschland e. V. Die alevitische Gemeinschaft ist die zweitgrößte muslimische
Konfession in der Türkei, die sich in ihrem Religionsverständnis und ihren religiösen
Praktiken stark von den Sunniten unterscheidet. So tragen die Frauen z. B. kein
religiöses Kopftuch, sie beten nicht in Moscheen, dafür in ihren eigenen
Gebetsstätten (Cemevi). Von den 4,5 Mio. in Deutschland lebenden Muslimen
gehören ungefähr 700.000 dem Alevitentum an. Diese stammen zu 95% aus der
Türkei. Da die meisten muslimische Einwanderer in Deutschland bleiben und
eingebürgert sind, haben sie das Recht, Bauten zur Ausübung ihrer Religion zu
errichten. So benötigen die Aleviten in Deutschland Cem-Häuser (Cemevi). In den
nächsten Jahren sollen in der gesamten Bundesrepublik 150 solcher Cem-Häuser
entstehen.
Als Cem-Haus bezeichnet man das alevitische Versammlungs- und Gotteshaus.
Einer Moschee oder auch einer Synagoge nicht unähnlich ist ein Cem-Haus ein
multifunktionales Gebäude, das neben einem Betsaal auch einen großen
Versammlungsraum sowie Unterrichtsräume, etc. aufweist. Eine spezifisch
„alevitische Baugestalt“ für ein Cem-Haus hat sich in der Geschichte dieser
Religionsgemeinschaft, anders als im Kirchenbau, nicht entwickelt.
Als fiktives Areal in Innenstadtlage von Koblenz hat Prof. Herrmanns den
Reichensperger Platz in Koblenz ausgewählt.
Der Entwurf von Sezgin Isik akzentuiert das Areal durch eine einfache, klare
Geometrie. Die Linearität des gegenüberliegenden Gebäudes der ehemaligen
Bezirksregierung wird aufgenommen und die Achse vom Deinhard-Platz zum Rhein
durch die langgezogene Wand unterstützt. Nach außen stellt sich das Gebäude mit
kubisch geschlossenem Baukörper und Flachdach dar, wenn auch das Dach
eigentlich dynamisch geschwungen ist. Der Grundriss des Cem-Saales lässt eine
starke sakrale Anmutung erwarten. Die sakralen und profanen Nutzungen sind
separiert. Der Betraum ist durch seine Höhe und 12 Basaltpfeiler, die neben der
statischen auch eine symbolische Funktion haben, besonders betont. Die Architektur
ist durch Raumformen geprägt, deren spirituell-atmosphärische Wirkung sicherlich
zum Tragen kommt und der Wertigkeit seiner Bestimmung gerecht wird.
Julian Walter schlägt einen Baukomplex aus drei Bauteilen vor, vor dem vier Stelen
stehen, die die vier Torwege, die der Besucher durchschreiten soll, symbolisieren.
Der spirituelle Charakter des Cem-Saales wird durch die geschickte Perforierung von
Dach und Wand unterstützt. Er wird durch 12 Oberlichter belichtet, die sinnbildlich für
die 12 Imame stehen. Der Anspruch auf Zeichenhaftigkeit eines sakralen Gebäudes
ist damit erfüllt.
In dem Entwurf von Thomas Wagner wird der Cem-Saal in einem monolithischen
Bau platziert. Ein orthogonales U umfängt diesen dreieckigen Baukörper, in dem die
profanen Raumnutzungen untergebracht sind. Der Cem-Saal ist bestimmt räumlich
interessant, so dass der Besucher wie in einer Kathedrale ergriffen werden könnte.
Von Nazanin Esfandiyari werden die verschiedenen sakralen und profanen
Nutzungen in vier einzelne Bauten untergebracht, die sich zum Cem-Haus ergänzen.
Sie umschließen einen begrünten Hof, wohin sich die von außen scheinbar
hermetisch geschlossene Anlage hin öffnet. Klarheit und Mystik zeichnen den
reduktionistischen Cemsaal aus. Trotz der unprätentiösen Zurückhaltung strahlt der
Komplex eine physiognomische Kraft aus.
Die Arbeiten (Pläne und Modelle) sollen demnächst einer größeren Öffentlichkeit
präsentiert werden.