Veröffentlicht am: | 15.11.2023 |
Veröffentlicht von: | Benedikt Bastong Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) |
Kategorie: | Wissenschaftspolitik |
Parlamentarischer Abend verdeutlicht Potenzial genomischer Techniken zur Bewältigung von Klima- und Biodiversitätskrise / Patentrechtliche Fragen sollen separat behandelt werden
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat einen dringenden Appell an die Bundesregierung gerichtet, dem Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission zum Umgang mit neuen genomischen Techniken in der Pflanzenzucht zuzustimmen. Die größte Forschungsförderorganisation und zentrale Selbstverwaltungseinrichtung für die Wissenschaft in Deutschland organisierte hierfür einen Parlamentarischen Abend in Berlin, um Vertreterinnen und Vertretern der Regierungsfraktionen den wissenschaftlichen Standpunkt zum EU-Vorschlag zu erläutern.
Die Veranstaltung mit dem Titel „Neue Züchtungstechniken als Beitrag zur Bewältigung multipler Krisen des 21. Jahrhunderts“ in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin brachte rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik und Wissenschaft zusammen. Auf ihr wurden unter anderem die aktuell diskutierten patentrechtlichen Fragen angesprochen, die auch aus Sicht der Wissenschaft von großer Bedeutung, aber doch so komplex sind, dass diese Debatte separat geführt und nicht mit dem vorliegenden Regulierungsvorschlag verwoben werden sollte. Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission insgesamt könnte so idealerweise noch vor der Europawahl am 9. Juni 2024 verabschiedet werden.
„Es wäre ein falsches Signal an Wissenschaft und Forschung, sollte die Entscheidung über eine Neuregulierung des Gentechnikrechts weiter aufgeschoben werden. Für eine zukunftsgerichtete und innovative Pflanzenforschung in Deutschland und Europa ist eine Erleichterung des Zugangs zu Feldversuchen mit Pflanzen, die mit diesen neuen Technologien entwickelt wurden, unabdingbar,“ sagte DFG-Präsidentin Professorin Dr. Katja Becker am Rande der Veranstaltung in Berlin. „Nur in Freilandversuchen kann geklärt werden, inwieweit Forschungsergebnisse aus dem Labor und dem Gewächshaus auf reale Kulturbedingungen übertragbar sind. Dies ist sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die Anwendung essenziell. Dabei geht es zum Beispiel um das Verständnis der genetischen Grundlagen von Salz-, Dürre- und Hitzetoleranz, die uns helfen, die Pflanzen an ein sich wandelndes Klima anzupassen.“
Hinsichtlich der wichtigen Fragen zum Schutz des geistigen Eigentums in Bezug auf Pflanzen, die mit neuen genomischen Techniken erzeugt wurden (NGT-Pflanzen), gibt es derzeit deutliche und nachvollziehbare Bedenken von Pflanzenzüchterinnen und -züchtern. Sie sorgen sich, dass Patente auf NGT-Pflanzen den Zugang zu biologischem Material für die weitere Züchtungsarbeit einschränken und damit den Züchtungsfortschritt in der Zukunft gefährden könnten. Die rechtlichen Fragen rund um den Patent- und Sortenschutz für alle Beteiligten zufriedenstellend zu lösen, bedarf daher weiterer sorgfältiger Überlegungen. Allerdings gibt es keinen unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang zwischen dem europäischen Gentechnikrecht einerseits und dem Recht des geistigen Eigentums (Patent- und Sortenschutzrecht) andererseits, wie es in der politischen Debatte oft dargestellt wird. Aus diesem Grund drängt die DFG darauf, die Diskussionen um das Patent- und Sortenschutzrecht vom Regulierungsvorschlag der EU-Kommission abzukoppeln und diesen nicht aufzuhalten.
„Der Wissenschaft rennt die Zeit davon. Selbst wenn der Rat der EU und das Europäische Parlament im nächsten Jahr dem Verordnungsentwurf der Kommission zustimmen, würde es nach diesem Vorschlag immer noch zwei Jahre ab Inkrafttreten der Verordnung dauern, bis deren Regelungen anwendbar sind. Bis dahin profitieren europäische Forscherinnen und Forscher weiterhin nicht von erleichterten regulatorischen Bedingungen für Arbeiten mit NGT-Pflanzen, anders als viele ihrer außereuropäischen Kolleginnen und Kollegen“, sagte Professor Dr. Hans-Georg Dederer im Rahmen des Parlamentarischen Abends. Dederer ist wissenschaftliches Mitglied der DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung.
Die EU-Kommission hatte im Sommer 2023 einen Gesetzesentwurf veröffentlicht, der den Umgang mit neuen genomischen Techniken in der Pflanzenzucht neu ordnen soll. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer gemeinsamen Position zu der Gesetzesvorlage. Die spanische EU-Ratspräsidentschaft strebt eine Einigung bis Ende 2023 an.
Weiterführende Informationen
Medienkontakt:
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2109, presse@dfg.de
Fachliche Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle:
Dr. Catherine Kistner, Molekulare und Organismische Biologie, Tel. +49 228 885-2803, sk-genforschung@dfg.de
Gemeinsam mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat sich die DFG mehrfach zum EU-Kommissionsvorschlag geäußert:
Juli 2023: www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/geschaeftsstelle/publikationen/stellungnahmen_papiere/2023/statement_genomic_techniques.pdf
Oktober 2023: www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/gremien/senat/genforschung/231103__dfg_leopoldina_genomtechnik_pflanzen.pdf
Bereits im Januar 2023 veröffentlichte die Ständige Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung der DFG eine ausführliche Positionierung zum Thema:
www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/gremien/senat/genforschung/position_genomeditierte_pflanzen_de.pdf